Zählst Du selbst zu jenen Konzertisten, die nicht einem ergebnisorientierten Kulturbetrieb, vielmehr aber einer bettelarmen Musikerboheme angehört und meist in kleineren Spelunken, Beisln, Kleinkunstbühnen und anderen Purgatorien Ihre Werke offerieren müssen, dann ist Dir die Frage des örtlichen, interessiert anmutenden, Kulturverantwortlichen: "In welche Schublade dürfen wir Euch stecken?" nicht fremd. Bemüht der Eine oder Andere hierbei leichtfertig dürftige Definitionen, wie Progrock, Loungepop, Vorstadt Grunge oder Retro Crossover, so fordert der konsumierende Hörer selbst suggestive Genüsse, denn er will von vornherein wissen mit welchem Ocean of Sound er hier und jetzt konfrontiert wird. In der Kellergasse rufen die Wirte der Musik "Hereinspaziert" und schon steckst Du in einem Korsett; Punk Rock oder Indie? Damit eröffnet man aber bereits die Kiste der Enttäuschung, die von unzähligen Ewartungen einer Klientel gespeist wird. Die schnelle Antwort entpuppt sich immerwieder als große Einschränkung.
Daher beschwören wir nicht die plumpe Frage "Ist Spargel Pop oder ein Phantom Avantgarde?" Fragt lieber nach, was Spargel ißt!
Wir zählen prinzipiell zu den musikalischen Allesfressern, mit der Prämisse nicht jeden "heißen Scheiß", der gerade en vogue auf den Plattentellern worldwide serviert wird, zu schlucken. Sind wir deshalb schon Crossover? Vielleicht!. Aber Spargel paart nicht nur verschiedene Elemente aus der Klassik, dem Schlager, Ethno und Jazzelemente, sondern schluckt, verdaut und generiert daraus Neues. Das Ergebnis der Synthese ist daher nicht geschmäcklerisch, kein Potpourri beliebter Stilrichtungen oder altbewährte Klangmustercollagen, sondern vielmehr ein eigenbrötlerisches Klanguniversum. Scheint einem der eine oder andere planet of Spargelmusic auch bekannt, die Umlaufbahn ist gänzlich verquer! Wer Spargelspaceship oder Besame Mucho hört, weiß wovon wir sprechen. Uns geht es schließlich um die Essenz.
Sind wir aber deshalb gleich eine Gegenbewegung zum etablierten Kunstbetrieb - wie sich einst Andy Warhol oder Roy Lichtenstein verstanden um dann selbst als Pop Art von Kunsthistorikern bzw. auch vom Publikum zur "richtigen" Kunst gezählt zu werden? Definitiv Nein. Spargel verweigert sich jedem, wir betonen jedem vereinnahmenden Kunstbegriff, auch dem Begriff der Popkultur. Die Popkultur entstand in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels und Paradigmenwechsels - so wie wir es jetzt wieder erleben - und begann als postmoderner Gegenentwurf zum bürgerlichen Kunst- und Kulturverständnis. Die Grenzen zwischen den herkömmlichen Sphären Hochkultur und der Alltagskultur wurden aufgelöst. Was aber ist aus diesem Gegenentwurf geworden? Er verblasst zu einem Markenartikel der Industrien und sogenannter Kunstkenner. Diese entscheiden schlussendlich, was massentauglicher Pop ist und was nicht. Von solch` fragwürdigen Geschmacksträgern wollen wir uns nicht besudeln lassen. Zwar ist eine für die Popkultur typische Betonung der Ästhetik und ein Zusammenfall von Oberfläche und Substanz auch in der Spargelmusik ansatzweise zu erkennen, aber wir ästhetisieren nicht prinzipiell Alles was Anders ist, Unpassend oder Unmöglich scheint. Spargel ist ebenso einer verspielten Spätromantik, der Kakophonie einer dilletantischen Zufallsmusik, einer musique concret oder der frühen mittelhochdeutschen Volksmusik verhaftet. Wir suchen nicht primär die Oberfläche, Spargel sucht die Substanz und jene Oberflächen, welche diese sichtbar macht. Schließlich brachten die 1980er Jahre das Ende der ursprünglichen Popkultur und führten zu einer Zersplitterung in zahlreiche subkulturelle Szenen. Heute kann Pop als Produkt der Postmoderne begriffen werden. In seiner Begeisterung für Pop stehen Dir die Vorbilder Hedonistisches Lebensgefühl, der Zwang modern sein zu müssen, eine immerwährende ironische Haltung zur Welt und die Genügsamkeit der Oberflächlichkeit parat. Wir werfen der Popkultur daher nicht zu Unrecht Oberflächlichkeit, Effekthascherei und mangelnde Substanz vor. Alles das entfernt sich von der Spargel - Idee, wie Ihr Sie kennt. Wir werden überdauern, wir fressen die sogenannte Popkultur! Wartet nur ab, Ihr werdet es hören.
Underground wird in vielen Sparten der Kunst als jener Teil der Szene begriffen, der nicht auf die Masse ausgerichtet ist, unabhängig produziert und meist als Gegenkultur verstanden wird. Der Gegenpol dazu ist der sogenannte Mainstream. Hier steht der finanzielle Erfolg nicht hinter, sondern meist neben oder sogar vor dem künstlerischen Erfolg. Produziert wird nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, das Auge auf die Etablierten und Erhabenen gerichtet. Die entscheiden dann wohin der Daumen zeigt. Häufig orientiert sich der Mainstream auch am Underground, kopiert Elemente und Ideen. Die Grenzen zwischen Underground und Kunst sind bekanntlich fliessend.
Demnach kann Spargel weder Underground noch Teil des etablierten Kulturbetriebs sein. Warum?
Wir sprechen Vertretern etablierter oder kommerzieller Kunst nicht automatisch die künstlerische Qualität ab. Wir lieben auch seichte Massenware, wenn Sie unser Herz berühren kann. Wir schätzen kommerziellen Erfolg, haben aber keinen. Wir haben es nicht notwendig Underground als marketingwirksames Schlagwort zu mißbrauchen. Wir sind nicht Alternative,schon gar keine Jugendkultur. Wir fordern keine Trennung zwischen Underground und Mainstream. Wir halten uns nicht für die Kollegen mit den anspruchsvolleren, authentischeren (etwa experimentelleren) Veranstaltungen und Konzerten. Dieser Streit ist, Ihr wißt es, absurd. Viele Künstler, die vorher stolz als Underground bezeichnet wurden, hat man nach dem entsprechenden Erfolg und mit den dann vorhandenen Mitteln kommerzialisiert. Und gehören heute dem Mainstream an. Andererseits muss auch ein kommerzieller Erfolg nicht bedeuten, ursprüngliche Ideale und Abneigungen zu verraten. Viele Werke der Hochkultur stellen heute - gemessen etwa an ihren Verkaufszahlen - auch eine Art Underground dar.
Ihr wißt also was wir meinen: Wir scheißen auf Under- und Overground, denn wir entwickeln Spargelmusik. Spargel zählt sich daher weder zum Underground noch zur Hochkultur. Spargel bleibt Kult.
Während in der Moderne die avantgardistische Perspektive vorherrscht, steht in der Postmoderne nicht die Realisierung des Neuen im Zentrum des künstlerischen Interesses, sondern eine Rekombination oder neue Betrachtungsweise vorhandener Ideen. Die Welt wird nicht auf ein Fortschrittsziel hin betrachtet. Der rationale Gedanke wird als pluralistisch, zufällig, chaotisch angesehen. Ebenso gilt die menschliche Identität als unstabil und durch viele, teils disparate, kulturelle Faktoren geprägt. Medien und Technik spielen eine wichtige Rolle. Die Postmoderne wendet sich gegen Festschreibungen insbesondere ideologischer Art, weshalb ihr andererseits oft der Vorwurf der Beliebigkeit gemacht wird.
Die postmoderne Kunst zeichnet sich u.a. aus durch den erweiterten Kunstbegriff und zitathafte Verweise auf vergangene Stile, die teils ironisch in Szene gesetzt werden. Wo die Ironie misslingt oder nicht vorliegt, lässt sich die ganze Richtung mit dem Eklektizismus vergleichen. Der Retrolook wird zur Modeerscheinung in allen Bereichen der Kunst. Was aber hat Spargelmusik bisher mit der Postmoderne zu tun. Ein Versuch der Annäherung:
Absage an das seit der Aufklärung betonte Primat der ratio und die Zweckrationalität (die bereits in der Moderne erschüttert wurden) Ja, Rationales Handeln bleibt auch für den Spargel eine weltfremde Illusion.
Hörbeispiel: Ninjakämpfer (?), Cowboysong (2004)
Verlust des autonomen Subjekts als rational agierende Einheit.
Hörbeispiel: Hühner (2000)
Neue Hinwendung zu Aspekten der menschlichen Affektivität und Emotionalität.
Hörbeispiel: Hormonodrom (2004), Noch schlägt das Herz so warm (2004)
Ablehnung eines universalen Wahrheitsanspruchs im Bereich philosophischer und religiöser Auffassungen und Systeme (also Absage oder kritische Hinterfragung sog. Metaerzählungen oder Mythen wie Gesetz, Geschichte, Gott, Ideologie, Utopie oder Religion)
Hörbeispiel: Tut ench Amun (2000),
Verlust traditioneller Bindungen, von Solidarität und eines allgemeinen Gemeinschaftsgefühls
Hörbeispiel: Sometimes we trouble in a world of fear, put my head out of the window. (2004)
Sektoralisierung des gesellschaftlichen Lebens in eine Vielzahl von Gruppen und Individuen mit einander widersprechenden Denk- und Verhaltensweisen
Hörbeispiel: Der Mädchenhändler (2000), Der Totengräber (?)
Toleranz, Freiheit und Pluralismus in Gesellschaft, Kunst und Kultur
Hörbeispiel: Janne ha tschu (2002), Barbiepuppe (2000)
Dekonstruktion, Sampling, Mixing als (neue) Kulturtechniken
Hörbeispiel: Spargelspaceship (2000)
Feminismus und Multikulturalismus
Hörbeispiel: Mexico (2000), Liebe macht dick (2003), Ich heiße Grete (?)
Spätestens mit Offenbarwerden der krisenhaften Entwicklung der westlichen Kultur im Kontext der Globalisierung hat die postmoderne Epoche augenfällig ihren Höhepunkt überschritten. Begleitet von einer allgemeinen Medienkritik und Wertediskussion wendet sich die Kunst zunehmend wieder realistischen Tendenzen zu. Sie reagiert damit auf den Realitätsdruck einer kritisch wahrgenommen Gegenwartsentwicklung. Signifikante Themen sind die Strukturkrise des westlichen Sozialstaatsmodells durch eine globale Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die demographische Entwicklung zu einer schrumpfenden Gesellschaft der Alten mit geringem Kindernachwuchs, der Kulturkampf mit dem Islamismus und dem ökonomischen Aufstreben konkurrierender asiatischer Handelsmächte.
All das sind Themen, die auch Spargel beschäftigen. Spargel hat keine Patentrezepte, diese Fallen verbreiten nur Weltverbesserer in den Ihnen dienenden Medien, während dem Eremiten in seiner Verneinung der Zufluchtsort abhanden kommt.
Aber fürchtet Euch nicht! Spargel ist mit Euch. Höret unsere new waves aus den Hallen der Musik, wie Sie an die Mauern der Angst und den Festungen der weird people bald wieder schlagen werden. Spargel ist mit Euch und Ihr seid mit Spargel. Unsere Stirn ist breit und die Worte in unseren Mündern, die Stimme in unseren Instrumenten und die Bühne unser Podium. Die Zukunft ist unser und der Mut für den Sprung in eine neue Zeit Euer.
Fürchtet Euch nicht! Die Spargelmusik wird flammend und leuchtend weiter vorangehen. Und Spargel wird okult bleiben, gegen die Festung Postmoderne, ab in eine neue Epoche. Denn Ihr wißt, was wir meinen und wir wissen, daß Ihr wißt, was wir meinen.
Spargel ist wieder da.
Hannes